Mitteilung

Von Geschlechtsunterschieden bei der Infektionsabwehr und einer wahrlich vernachlässigten Tropenkrankheit

Dr. Marie Groneberg und Dr. Luzia Veletzky erhalten Promotionspreise des BNITM-Fördervereins

Die diesjährigen Promotionspreise der Vereinigung der Freunde des Tropeninstituts Hamburg e.V. (VdF) gehen an Dr. Marie Groneberg (Naturwissenschaften) und Dr. Luzia Veletzky (Medizin). Sie sind mit jeweils 1.000 Euro dotiert und würdigen besonders herausragende Dissertationen am Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

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©VdF

Männer erkranken anders, Frauen auch. So erkranken Männer im Vergleich zu Frauen deutlich häufiger und schwerer an zahlreichen viralen, bakteriellen und parasitären Infektionen. Dazu gehören beispielsweise Hepatitis B, Covid-19, Tuberkulose, Helicobacter- und Amöbeninfektionen.

Die Arbeitsgruppe Molekulare Infektionsimmunologie von Prof. Hannelore Lotter studiert unter anderem geschlechtsspezifische Immunreaktionen bei der Bildung und Regeneration von Amöbenleberabszessen. Sie hatte bereits gezeigt, dass das Geschlechtshormon Testosteron die Entstehung von Leberabszessen begünstigt.

Regulatorisches Protein mitverantwortlich für Geschlechtsunterschied

Marie Groneberg und ihre Kolleginnen und Kollegen schlossen an diese Ergebnisse an. Sie analysierten geschlechtsspezifische Unterschiede der erworbenen Immunantwort bei Amöbenleberabszessen und führten eingehende molekulare Untersuchungen der Immunantwort im Mausmodell durch.

Unter anderem bestimmten sie Auftreten und Zahl detailliert charakterisierter Immunzellen und die Konzentration immunologischer Botenstoffe in Leber und Blut von normalen Mäusen und von Mäusen mit gezieltem genetischen Defekt.

Sie zeigten, dass bei experimentellen Amöbeninfektionen in der Leber ein bestimmtes immunregulatorisches Protein (HIF-1alpha) für die stärkere Immunreaktion der männlichen Mäuse mitverantwortlich ist. Das Protein ist in den Leberzellen beider Geschlechter als Antwort auf eine Amöbeninfektion vorhanden, beeinflusst die Immunzellantwort männlicher und weiblicher Tiere jedoch in unterschiedlichem Maße. Die gezielte Ausschaltung von HIF-1alpha in der Leber reduziert die entzündungs- und abszessfördernde Immunantwort in männlichen Mäusen und führt zur Aufhebung des Geschlechtsunterschieds.

Porträt von Dr. Marie Groneberg
Dr. Marie Groneberg   ©Marie Groneberg

Loa loa-Infektion: Eine wahrlich vernachlässigte Tropenkrankheit

Die zweite prämierte Dissertation beschäftigt sich mit der durch Infektionen mit dem Fadenwurm Loa loa verursachten Krankheitslast. Der Parasit wird in West-und Zentralafrika durch Bremsen übertragen und wandert im menschlichen Körper.

Lange Zeit hielt man die Infektion mit Loa loa für eine harmlose Erkrankung. Verstörende Abbildungen der verursachten Symptome haben über Jahrzehnte von der Erforschung der wirklichen Krankheit eher abgelenkt. Nach wie vor hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) die sogenannte Loiasis nicht als „Vernachlässigte Tropenkrankheit“ anerkannt, also als eine Erkrankung, die besonderer Beachtung und Förderung in Forschung und Bekämpfung bedarf.

Porträt von Dr. Luzia Veletzky
Dr. Luzia Veletzky   ©Luzia Veletzky

Luzia Veletzky und ihre Kolleg:innen in der Abteilung Klinische Forschung von Michael Ramharter konnten dagegen zeigen, dass diese Wurminfektion relevante Symptome verursacht, die betroffene Patient:innen erheblich in ihrer Lebensqualität und Leistungsfähigkeit einschränken. Sie verursacht nicht nur die bekannten Beschwerden durch Wanderung des Wurms unter der Bindehaut des Auges und juckende Hautschwellungen (sogenannte Calabar-Schwellungen), sie kann auch Spätfolgen wie Schädigung des zentralen Nervensystems, von Herz und Nieren nach sich ziehen. 2016 wies eine Studie erstmals auch eine erhöhte Sterblichkeit von Infizierten nach. Zusätzlich wurde nun gezeigt, dass auch allgemeine unspezifische Symptome wie Müdigkeit, Gelenk- und Kopfschmerzen mit der Erkrankung assoziiert sind, die die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen.

Erstmals objektive Messung der Krankheitslast

In welchem Ausmaß, untersuchten die Forschenden mit Hilfe der sogenannten „DALYs“ (=disability adjusted life years): der „an Beeinträchtigung angepassten Lebensjahre“. DALYs sind eine Maßeinheit der Gesundheitsforschung. Sie ermöglicht es, die Belastung der Bevölkerung durch eine einzelne Erkrankung objektiv zu quantifizieren und so Vergleiche anstellen zu können. DALYs werden unter anderem in den politisch relevanten „Global Burden of Disease“ Studien eingesetzt.

Prof. Rolf Horstmann, Vorstandsmitglied VdF: „Die Dissertation von Luzia Veletzky ist ein bedeutsamer Beitrag, da sie die Aufmerksamkeit der WHO auf die Loa loa-Infektion lenken wird. Eine Aufnahme der Infektion in die offizielle Liste der „Vernachlässigten Tropenkrankheiten“ würde absehbar eine erhebliche Intensivierung der Erforschung und Bekämpfung der Infektion bewirken. Marie Groneberg und ihre Kolleginnen und Kollegen haben wesentlich dazu beigetragen, die molekularen Grundlagen für die lange bekannte größere Empfänglichkeit von Männern für Infektionskrankheiten zu verstehen. Die Ergebnisse sind nicht nur akademisch von großem Interesse, sie zeigen auch Ansätze für immuntherapeutische Maßnahmen. Ich gratuliere beiden Gewinnerinnen sehr herzlich und wünsche ihnen viel Erfolg für ihren weiteren Werdegang!“

Die Preisträgerinnen wurden im Anschluss an die jährliche Mitgliederversammlung der VdF geehrt, im Rahmen des traditionellen Sommerfestes des BNITM im Institutsgarten, dem ersten nach zwei Jahren pandemiebedingter Unterbrechung.

Die Vereinigung der Freunde des Tropeninstituts Hamburg e. V., der Förderverein des BNITM, verleiht jährlich zwei Preise für herausragende Dissertationen am Institut. Jeweils eine Arbeit in der Medizin und in den Naturwissenschaften wird mit einem Preisgeld von 1.000 Euro prämiert.

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Ansprechperson

Julia Rauner

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

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