Pressemitteilung

Innovative Sequenziertechnologie trägt zur Eindämmung des Lassa-Fieber Ausbruchs 2018 in Nigeria bei

Mit der innovativen Sequenziertechnologie gegen das Lassa-Fieber:

  • Wissenschaftler benutzen ein mobiles Sequenziergerät in der Größe eines Smartphones, um Virusstämme im Epizentrum des Lassa-Fieber-Ausbruchs zu sequenzieren. 
  • Die Echtzeitanalyse der zirkulierenden Virusstämme informiert die lokalen Behörden über die optimale Strategie zur Eindämmung des Ausbruchs. 
  • Die neue Methode ermöglicht auch unbekannte Erreger, die zukünftige Epidemien auslösen könnten, vor Ort zu identifizieren und zu charakterisieren.
Das Bild zeigt ein mikroskopisches Bild von Lassa-Viren.
Elektronenmikroskopische Aufnahme von Lassaviren   ©BNITM

Erstmals analysierten Wissenschaftler Lassa-Viren aus Patienten während eines Lassa-Fieber-Ausbruchs mit Hilfe eines mobilen Sequenziergerätes in Echtzeit vor Ort. Die Sequenzdaten ermöglichten den lokalen Gesundheitsbehörden, ihre Strategie zur Eindämmung der Seuche anzupassen und Ressourcen optimal einzusetzen. Ein gemeinsames Forschungsteam von Public Health England (PHE; UK), Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM; Hamburg) und Irrua Specialist Teaching Hospital (ISTH; Nigeria) führten die Untersuchungen in Zusammenarbeit mit dem Nigeria Center for Disease Control (NCDC) und der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zu Beginn des Jahres 2018 in Nigeria durch. Sie berichten über die Technologie und die Ergebnisse am 4. Januar 2019 in der Zeitschrift Science.

Das Lassa-Fieber ist in Westafrika endemisch. Es wird durch das Lassa-Virus hervorgerufen, welches über Urin oder Stuhl infizierter Nagetiere übertragen wird. Die Infektion geht mit Fieber, Nierenversagen, Blutungen und Krämpfen einher und führt nicht selten zum Tode. Anfang 2018 wurden in Nigeria innerhalb weniger Wochen 376 Fälle nachgewiesen — mehr als die Gesamtzahl der letzten drei Jahre. Das gab Anlass zur Sorge, der Ausbruch könnte durch eine neue Variante des Virus verursacht worden sein, die sich besonders von Mensch-zu-Mensch ausbreitet. NCDC und WHO beauftragten das Team, Patientenproben in Nigeria zu untersuchen und der Frage nach einem möglicherweise erhöhten Übertragungspotenzial nachzugehen. PHE und BNITM hatten ähnliche Untersuchungen bereits während des Ebola-Ausbruchs 2014-2016 gemeinsam durchgeführt.
Das Team arbeitete im Epizentrum des Ausbruchs in Irrua, Nigeria, mit mehreren mobilen Sequenziergeräten von Oxford Nanopore Technology (UK), um den genetischen Code des Virus in 120 Patientenproben aufzuklären. Die Forscher nutzten einen sogenannten metagenomischen Ansatz, der es ermöglichte, alle Typen des sehr variablen Lassa-Virus-Genoms zu sequenzieren. 

Das Forscherteam fand heraus, dass die Virusstämme in den Proben nicht direkt miteinander verwandt waren, was eine Verbreitung von Mensch-zu-Mensch aus einer einzelnen Quelle, wie beim Ebola-Virus Ausbruch in West-Afrika, ausschießt. Offensichtlich wurde der Ausbruch durch eine gehäufte Übertragung der Viren von Nagetieren auf den Menschen verursacht. Auf der Grundlage dieser Ergebnisse, die den Gesundheitsbehörden sofort übermittelt wurden, ist die Ausbruchsbekämpfung auf die Vermeidung des Kontaktes von Mensch und Nagetier, Umwelthygiene und sichere Lagerung von Lebensmitteln konzentriert worden.
Stammbäume mit allen bekannten Lassa-Virus Sequenzen zeigen, wie sich die neuen Viren aus bereits existierenden Viren heraus entwickelt haben. „Durch die Verwendung der neuen Technologie zur Sequenzierung der Viren in den Patientenproben und den Vergleich mit früheren Viren waren wir in der Lage, die Übertragung von Mensch-zu-Mensch als Ursache für den Ausbruch ausschließen", erläutert Prof. Stephan Günther, Leiter der Abteilung Virologie am BNITM, die Ergebnisse. "Stattdessen scheint eine vermehrte Übertragung des Virus von Nagetieren auf den Menschen der Grund zu sein." 

Professor Miles Carroll, Leiter Forschung und Entwicklung des National Infection Service bei Public Health England, ergänzte: "Viren verändern sich ständig und können im Laufe der Zeit ihre Infektiosität und Pathogenität verändern. Die Methoden der Metagenomanalyse erlauben uns, die Quelle von Ausbrüchen und den Weg der Ausbreitung besser zu verstehen." 
„Mit früheren Methoden brauchte man über einen Monat, um Virengenome zu erforschen. Jetzt erhalten wir Ergebnisse in nur einem Tag am Ort des Geschehens und können damit Maßnahmen zur Eindämmung von Ausbrüchen schneller einleiten und Menschen vor weiterer Ansteckung schützen. Der diesjährige Ausbruch zeigte uns auch, dass wir nicht nur Maßnahmen zur Vermeidung von Mensch-zu-Mensch Übertragungen benötigen, sondern auch in anderen Bereichen tätig werden müssen, um maximale Wirkung zu erzielen."

Der leitende Ärztliche Direktor des ISTH, Prof. Sylvanus Okogbenin, sagte, dass "das Ergebnis der Sequenzierung die behandelnden Ärzte am ISTH, dem Zentrum für Diagnostik und Behandlung des Lassa-Fiebers in Nigeria, beruhigt hat. Ein besonders übertragbares Virus wäre ein großes Risiko für Ärzte und Schwestern gewesen. Das Institut freut sich auf die zukünftige Zusammenarbeit mit dem Forscherteam, um die neue Sequenziermethode als festen Bestandteil der Lassa-Fieber Forschung des ISTH zu etablieren."
Dr. Chikwe Ihekweazu, Generaldirektor des NCDC, fügte hinzu: "die Ergebnisse, die dem NCDC in Echtzeit zur Verfügung gestellt wurden, haben Antworten auf wichtige Fragen geliefert und zur Optimierung unserer Maßnahmen beigetragen. Wir sind stolz darauf, dass die Studie vor Ort im ISTH durchgeführt wurde und wollen weiter mit unseren Partnern zusammenarbeiten, um die Kapazität für metagenomische Analysen in Nigeria zu erhöhen."

Die in dieser Studie verwendete mobile Sequenzierungstechnologie in Echtzeit hat das Potenzial für Anwendungen jenseits des Lassa-Fiebers. Durch die Möglichkeit, alle Erreger in einer Probe zu sequenzieren, kann die Technologie auch auf bisher unbekannte Erreger angewendet werden. Nach SARS, Ebola und Zika-Virus könnte der nächste Ausbruch durch einen unbekannten "Krankheitserreger X" ausgelöst werden. Mit der neuen Technologie können Wissenschaftler praktisch überall und in kurzer Zeit das Erregergenom in einem Ausbruch studieren, ohne den Erreger vorher zu kennen.

Ansprechperson

Prof. Dr. Stephan Günther

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Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

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