Pressemitteilung

120 Jahre Forschung für Globale Gesundheit

Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin begeht virtuelles Jubiläum

Hamburg. Ein Jubiläum inmitten einer Pandemie: Auch für das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) sind es bewegte Zeiten. Wegen der Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus unterliegt auch das BNITM vielen Einschränkungen, und geplante Feierlichkeiten mussten abgesagt werden. Dennoch blicken die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gemeinsam zurück – vor allem aber nach vorn.

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin feiert am heutigen Donnerstag sein 120jähriges Bestehen: Am 1. Oktober 1900 nahm das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ mit 24 Mitarbeitenden seine Tätigkeit auf. Unter der Leitung von Hamburgs Hafenarzt Bernhard Nocht befasste sich das Institut vor allem mit exotischen Erregern, die Seeleute aus den Kolonien mitbrachten. Auch heute erforscht das Leibniz-Institut oberhalb der Landungsbrücken exotische Krankheitserreger, die tropentypische oder neu-auftretende Infektionen hervorrufen können, wie Malaria, hämorrhagisches Fieber oder Vernachlässigte Tropenkrankheiten. Im Zuge der Corona-Pandemie beteiligt sich das BNITM zudem an diversen Kooperationsprojekten zur Erforschung und Diagnostik des SARS-CoV-2-Virus sowie zur Eindämmung der COVID-19-Erkrankung.

Infektionsforschung unter erschwerten Bedingungen

Der Umgang mit gefährlichen Krankheitserregern gehört für die Menschen am Bernhard-Nocht-Institut quasi zur Arbeitsplatzbeschreibung. Sie forschen u.a. an Malariaparasiten, züchten und diagnostizieren Lassa- und Ebola-Viren, überwachen die Ausbreitung des West-Nil- und des Usutu-Virus in Deutschland und unterstützen Labore in Afrika beim Aufbau zeitgemäßer Diagnostik. Häufig müssen Wissenschaftler:innen und technische Mitarbeitende weit reisen, um vor Ort Krankheitsausbrüche zu untersuchen.

Fotografie des original Gründungsdokuments
Bürgerschaftsbeschluss zur Gründung eines "Instituts für Schiffs- und Tropenkrankheiten"

Jetzt sind neue Erreger gleichsam zu ihnen gekommen. Der Alltag des Instituts, das sich seit seiner Gründung der tropenmedizinischen Forschung, Krankenversorgung und Lehre widmet, hat sich verändert: Während des Lockdowns durften die Institutsangehörigen das Gebäude und die Labore nur in Ausnahmefällen betreten, die Forschenden mussten soweit es ging ihre Arbeit im Homeoffice erledigen. Wegen der internationalen Reisebeschränkungen wird reisemedizinische Beratung sehr viel weniger nachgefragt. Zahlreiche Kooperationsprojekte in Afrika und Asien mussten unterbrochen, die Mitarbeitenden teilweise aus den Tropen abgezogen werden. Anlässlich des Jubiläums geplante Symposien mit prominenten Gästen sowie Besuche, Veranstaltungen und Tropenkurse für Mediziner:innen sind abgesagt. Die Diagnostik wurde zum großen Teil auf Corona-Testungen umgestellt.

Der Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Dr. Thomas Steffen: „Das BNITM ist für uns ein verlässlicher Partner, sowohl im Rahmen der nationalen wie auch der internationalen Gesundheitssicherheit. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung im Bereich der Infektionskrankheiten ist das Institut ein wichtiger Akteur des "Global Health Protection Programme" des BMG, das Partnerländer und die WHO bei Maßnahmen zur Epidemieprävention unterstützt. Aber auch in der Coronavirus-Pandemie setzt sich das BNITM bei der nationalen Eindämmung der Pandemie ein und hat mit Unterstützung des BMG zusätzliche Diagnostikkapazitäten für Deutschland aufgebaut.“

Hamburgs Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank: „Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin besitzt eine herausragende Expertise auf dem Gebiet der Tropen- und Infektionsforschung. Mit seiner exzellenten Grundlagenforschung leistet es zudem einen wichtigen Beitrag zur Eindämmung des Coronavirus. Dafür gebührt allen Mitarbeitenden mein herzlicher Dank. Unser Ziel ist es, die Kompetenzen im Bereich der Infektionsforschung künftig noch stärker zu bündeln und auszubauen – hierbei ist das BNITM ein wichtiger Partner.“

Der Vorstandsvorsitzende Prof. Egbert Tannich: „Auch für das BNITM ist die Corona-Pandemie eine Herausforderung. Daher sind wir sehr dankbar für großzügige Unterstützungen durch unsere Zuwendungsgeber, den Bund und das Land Hamburg. Gleichzeitig sind wir stolz, mit unserer Diagnostik dazu beizutragen, dass Maßnahmen zur Pandemiekontrolle in Hamburg vorsichtig gelockert werden und hamburgische Unternehmen und Kultureinrichtungen ihren Betrieb wieder aufnehmen können.“

Zwei junge forscher mit Paketen und Marerialien am Flughafen auf dem Weg nach Madagaskar
Dominik Benke und Yannick Höppner auf dem Weg nach Madagaskar, um dort beim Aufbau von Diagnostikkapazitäten zu unterstützen.

Das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin trägt seit Beginn der Pandemie zu deren Bekämpfung und Kontrolle bei: durch Virusdiagnostik und Verbesserung diagnostischer Tests, Beiträge zur Entwicklung von Impfstoffen und Medikamenten gegen COVID-19, epidemiologische Studien, wissenschaftliche Beratung sowie durch Aufklärung der Öffentlichkeit über die Pressearbeit. Das Institut engagiert sich in der Ausbildung von Gesundheitspersonal und Labormitarbeitenden in den Ländern des globalen Südens, vor allem Afrika und Asien, und ertüchtigt dort Labore für die COVID-19-Diagnostik. Diese Länder stehen aufgrund stark verbesserungsbedürftiger Gesundheitssysteme oft vor besonders großen Herausforderungen.

Prof. Egbert Tannich: „Die Corona-Pandemie hat die grundlegende Bedeutung der Infektionsforschung für unser Zusammenleben schlagartig in das allgemeine Bewusstsein gerückt. Für unsere Forschungseinrichtung kommt es jetzt darauf an, langfristige Ziele nicht aus den Augen zu verlieren: So bauen wir derzeit mit der Implementationsforschung einen neuen Forschungszweig auf, um die Kontrolle armutsbedingter Infektionserkrankungen unter schwierigen Bedingungen noch effektiver zu gestalten. Außerdem haben wir die nächste Runde der Exzellenzstrategie fest im Blick und wollen den Standort Hamburg in der Infektionsforschung mit allen Kräften unterstützen.“

Ursprünge in der Kolonialzeit

Das „Institut für Schiffs- und Tropenkrankheiten“ wurde vor 120 Jahren gegründet. Sein Ziel war es, tropentypische Erkrankungen zu erforschen und zu behandeln und sein Wissen an medizinisches Personal weiterzugeben. Mit dem zunehmenden Handel und Verkehr mit Übersee wurden gegen Ende des 19. Jahrhunderts vermehrt tropische Erreger durch Schiffsbesatzungen und Reisende eingeschleppt. Die Cholera-Epidemie von 1892 in Hamburg gab den letzten Anstoß: Etwa 9.000 Menschen waren an der Seuche gestorben. Auch der wirtschaftliche Schaden für Hamburg war immens. Aufgabe des Instituts war es dazu beizutragen, ähnliche Ausbrüche in Zukunft unter allen Umständen zu verhindern.

Nur wenige Mitarbeiter führten in den Anfangsjahren Forschung in den Tropen selbst durch. Dennoch beteiligte sich das Institut während beider Weltkriege an Bestrebungen, Zugang zu tropischen Ländern zu erhalten bzw. wiederzuerlangen. Im Ersten Weltkrieg wurde die Einrichtung auch als Reservelazarett genutzt. Während des nationalsozialistischen Terrorregimes zwangen die Nazis mehrere jüdische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das Institut zu verlassen. Belegt sind Fleckfieber- und Malariaversuche an Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern und Menschen mit Behinderungen.

Seitliches Portrait von Bernhard Nocht am vorm Mikroskop
Bernhard Nocht (1857-1945)   ©BNITM

In den Nachkriegsjahren etablierte sich der Ansatz „Entwicklungshilfe durch Forschung“, und es wurden erste Forschungskooperationen mit Südamerika, Asien und Afrika geknüpft. In den letzten Jahrzehnten hat sich zunehmend der „Global-Health“-Gedanke durchgesetzt: Dabei geht es darum, die Gesundheit weltweit zu verbessern, Ungleichheiten zu verringern, Menschen vor globalen Bedrohungen zu schützen und auf Augenhöhe mit Partnern in anderen Ländern zu forschen, zu lehren und zu heilen.

Mehrere Forscher beim arbeiten im mobilen Labor in einem Zelt-Pavillions.
Arbeit im European Mobile Lab während der Ebola-Epidemie 2014 in Westafrika   ©EMLab

Heute genießt das BNITM national und international großes Ansehen. Es unterhält zahlreiche Kooperationen und ist eng verflochten mit anderen Hamburger Forschungseinrichtungen wie dem Heinrich-Pette-Institut, Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie (HPI) oder der Universität Hamburg (UHH). Mehrere Professor:innen, die gleichzeitig Abteilungen oder Arbeitsgruppen am BNITM leiten, wurden gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) bzw. der naturwissenschaftlichen Fakultät der UHH berufen. Als Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft übernimmt das BNITM übergeordnete Aufgaben für ganz Deutschland. So bildet es jährlich etwa 50 Ärzte in der Tropen- und Reisemedizin aus, ist vom Bundesgesundheitsministerium ernanntes Nationales Referenzzentrum für Tropische Infektionserreger und gleichzeitig WHO-Kooperationszentrum für die Erforschung hämorrhagischer Fieberviren und Arboviren. In diesen und anderen Funktionen arbeitet das BNITM eng mit dem Robert-Koch-Institut (RKI) zusammen. Die Wissenschaftler:innen des BNITM sind in zahlreichen Fachgesellschaften und wissenschaftlichen Gremien vertreten und werden regelmäßig von Politik und Wirtschaft um Mitarbeit und Stellungnahmen gebeten.

Ausführliche Informationen zur Geschichte des Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin finden Sie hier.

"Tropentypische Erkrankungen verdienen viel mehr Aufmerksamkeit."

120 Jahre BNITM, Corona und was sich das Institut für die Zukunft wünscht: Prof. Egbert Tannich, Vorstandsvorsitzender des BNITM, im Video-Interview.

120 Jahre Forschung für Globale Gesundheit


Fragen an den Historiker Dr. Markus Hedrich von der Forschungsstelle "Hamburgs (post-)koloniales Erbe" an der Universität Hamburg.

Die Fragen stellte Julia Rauner, Pressestelle des BNITM.

Ansprechperson

Prof. Dr. Jürgen May (Chair)

Vorstandsvorsitzender

Telefon : +49 40 285380-261

E-Mail : may@bnitm.de

Dr. Eleonora Schönherr

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

Telefon : +49 40 285380-269

E-Mail : presse@bnitm.de

Julia Rauner

Presse- & Öffentlichkeitsarbeit

Telefon : +49 40 285380-264

E-Mail : presse@bnitm.de