Deutlich mehr Schlangenbissvergiftungen in Gabun als bekannt
In Gabun werden jedes Jahr offenbar deutlich mehr Menschen von einer Giftschlange gebissen als bisher angenommen. Das ist eins der Ergebnisse einer Studie des Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin (BNITM) in Zusammenarbeit mit dem Centre de Recherches Médicales de Lambaréné (CERMEL). Die Forschenden haben erstmals umfassende Daten zur Verbreitung und Behandlung von Schlangenbissen in Gabun veröffentlicht. Als Konsequenz fordern sie mehr Aufklärung, mehr Training für medizinisches Personal und eine verlässlichere Versorgung mit Gegengift. Die Studie ist im Journal of Global Health erschienen.

Schlangenbissvergiftungen gehören zu den 21 von der Weltgesundheitsorganisation gelisteten vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs). Weltweit sterben nach WHO-Schätzungen jedes Jahr mehr als 100.000 Menschen an den Folgen, über 400.000 tragen bleibende Schäden davon. In Gabun, wo zahlreiche hochgiftige Schlangenarten vorkommen, fehlten bisher jedoch verlässliche epidemiologische Daten.
Für die Untersuchung führten die Forschenden eine umfangreiche Haushaltsbefragung im Department Ogooué et des Lacs durch. Sie umfasste städtische, ländliche und schwer zugängliche Gebiete. Zusätzlich analysierte das Team Daten von Patientinnen und Patienten aus 28 Gesundheitseinrichtungen. Dabei erfasste es Häufigkeit, Umstände und Folgen von Schlangenbissen. Auch wie die Betroffenen sich selbst behandelten und wie und wo sie Hilfe suchten, floss in die Studie ein. Zudem ermittelte das Team, wie verfügbar Gegengifte waren und wie die Behandlungseinrichtungen mit ihnen umgingen.
Die Ergebnisse zeigen: Jährlich erleiden im Department Ogooué et des Lacs etwa 246 von 100.000 Menschen einen Schlangenbiss; fast einer von fünf Bissen führt zu einer mittelschweren bis schweren Vergiftung. Etwa drei Prozent der Betroffenen sterben an den Folgen. Etwa 55 Prozent der Gebissenen suchten zunächst ein Krankenhaus oder eine Klinik auf, 22 Prozent wandten sich zuerst an traditionelle Heiler:innen. Ein großer Teil der Patient:innen in den Gesundheitszentren erhielt zwar ein Gegengift, häufig jedoch unabhängig von der tatsächlichen Schwere der Vergiftung. Gleichzeitig fehlte es oft an fachgerechter Behandlung, etwa an der korrekten Gegengift-Dosierung oder der Vermeidung unnötiger Zusatzmedikamente. Die Studie weist zudem auf hohe Behandlungskosten hin, die Betroffene stark belasten und die Inanspruchnahme formeller Gesundheitsdienste erschweren. Darüber hinaus zeigte die Studie, dass Schlangenbisse erhebliche Auswirkungen auf den Nutztierbestand haben: Jeder sechste Haushalt meldete den Tod von Nutztieren, was eine weitere wirtschaftliche Belastung bedeutet.
„Unsere Studie belegt, dass Schlangenbissvergiftungen in Gabun eine deutlich größere Rolle für die öffentliche Gesundheit spielen als bislang angenommen“, sagt Erstautorin Rica Artus aus der BNITM-Forschungsgruppe Vernachlässigte Krankheiten und Vergiftungen von Dr. Benno Kreuels. „Viele Todesfälle und Folgeschäden könnten durch bessere Prävention, gezielte Aufklärung, bessere Transportmöglichkeiten und eine gestärkte medizinische Versorgung verhindert werden.“ Es sei notwendig, die Bevölkerung über wirksame Präventions- und Erste-Hilfe-Maßnahmen zu informieren, medizinisches Personal zu schulen und sicherzustellen, dass die Gesundheitseinrichtungen zuverlässig mit Gegengiften versorgt sind.

Die Forschenden fordern daher umfassende Maßnahmen: Ausbildung von medizinischem Personal, Entwicklung nationaler Behandlungsleitlinien, verbesserten Zugang zu bezahlbarem und wirksamem Antivenin sowie Kooperationen mit traditionellen Heiler:innen. Die Ergebnisse der Studie haben bereits dazu beigetragen, dass Schlangenbissvergiftungen erstmals in den Nationalen Gesundheitsentwicklungsplan Gabuns (2024–2028) aufgenommen wurden.
Originalpublikation
Artus, Rica et al.: The epidemiology of snakebites, treatment-seeking behaviour, and snakebite management in the department of Ogooué et des Lacs, Gabon, Central Africa: a cross-sectional community and health facility-based survey. Journal of Global Health 2025;15:04062.
Ansprechperson
Dr. Benno Kreuels
Research Group Leader
Telefon : +49 40 285380-723
Fax : +49 40 285380-512
E-Mail : kreuels@bnitm.de
Julia Rauner
Presse- & Öffentlichkeitsarbeit
Telefon : +49 40 285380-264
E-Mail : presse@bnitm.de
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